Wer soll das bezahlen? Vielleicht ... - Teil 6

von Redaktion Familienbund

Der Countdown zur Bundestagswahl am 26. September 2021 läuft. Diese Zeit möchten der Caritasverband und der Familienbund im Erzbistum Paderborn nutzen, um Möglichkeiten der Finanzierung unserer Sozialversicherungen zu beleuchten. Hierzu haben wir einige Statements von Fachfrauen und -männern aus Verbänden und Parteien angefragt, die wir wöchentlich vorstellen. Wir erheben dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit der Positionen, sondern zeigen die Vielschichtigkeit des Themas durch unterschiedliche Facetten und Sichtweisen auf.

Gerechtigkeit und Versorgungsqualität


Es geht um nicht weniger, als um die Frage, welches Konzept besser geeignet ist, die medizinische Versorgung in Deutschland zu vergüten: das bestehende duale System aus gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) und privater Krankenversicherung (PK) oder eine solidarische Bürgerversicherung? Letztere soll insbesondere eine Lösungsstrategie gegen die Zwei-Klassen-Medizin sein. Denn das Nebeneinander von gesetzlicher Krankenkasse und privater Krankenversicherung ist in den Augen der Befürworter der Bürgerversicherung eine Form der Überversorgung für Besserverdienende und sowohl ökonomisch und medizinisch als auch ethisch fragwürdig. Die Bürgerversicherung will nach und nach Anreize dafür schaffen, dass die Versorgungsqualität der Bevölkerung nicht mehr indirekt vom Einkommen der Versicherten abhängt. Medizinische Leistungen sollen daher künftig alle nach dem medizinischen Bedarf in gleich guter Qualität für alle erbracht werden.
Der Anspruch einer Einheitsversicherung, in die auch Beamte und Selbstständige einzahlen, klingt zwar verheißungsvoll, dürfte in der Realität indes zu erheblichen Verwerfungen führen: So fehlt dem Konzept einer Bürgerversicherung die Nachhaltigkeit in Bezug auf den demografischen Wandel. Denn durch die Erweiterung des Umlageverfahrens der gesetzlichen Krankenversicherung und der gleichzeitigen Zurückdrängung des Kapitaldeckungsverfahrens der privaten Krankenversicherung werden die hohen Kosten und Finanzierungsschwierigkeiten lediglich auf zukünftige Generationen verschoben. Ein Krankenversicherungssystem, das auf Generationengerechtigkeit setzt, sieht anders aus.
Das Einheitsversicherungsmodell löst außerdem weder die finanziellen noch strukturellen Probleme der gesetzlichen Krankenkassen, noch sorgt es für mehr Gerechtigkeit. Die fehlende Wettbewerblichkeit des Systems dürfte sogar dazu führen, dass am Ende alle gesetzlich Versicherten schlechter versorgt sind als heute. Die gesundheitliche Versorgungsqualität von Patienten darf jedoch durch ein reformiertes Krankenversicherungssystem nicht leiden. Paradoxer Weise dürfte gerade ein Einheitsversicherungsmodell der Zwei-Klassen-Medizin besonders Vorschub leisten. Denn dann werden all jene, die es sich leisten können, Gesundheitsleistungen auf dem Markt dazu kaufen.
Das heutige duale Krankenversicherungssystem ist zweifellos nicht ideal. Insbesondere die Ausgaben für die Beihilfen der PKV sind ein kritischer Punkt für die öffentlichen Finanzen – und die Beamten bilden die wichtigste Kundengruppe der PKV. Dennoch ist das heutige System mit Blick auf die gebotene Versorgungsqualität, auf die Gerechtigkeit und Solidarität sowie auf die therapeutischen Innovationen noch immer das Beste, was heute diskutiert wird. Politische Weiterentwicklungen, um die Schwächen des aktuellen Systems zu minimieren, darf das nicht ausschließen. Auch wenn das Festhalten am Bestehenden in diesem Fall der Vorzug zu geben ist, ist die Politik gefordert.

Ulrich Hoffmann,
Präsident des Familienbundes der Katholiken

Zurück

Nach oben